Müssen wir uns mit unserem Set-Point-Gewicht abfinden?

Veröffentlicht 24. Mai 2023
Ausschnitt von nackten Füßen auf einer Waage.Ausschnitt von nackten Füßen auf einer Waage.

Wenn es dir so vorkommt, als würde dein Körper bei deinen Abnehmversuchen gegen dich arbeiten, dann liegt das möglicherweise daran, dass er das auch tut. Genau das ist Experten zufolge die Prämisse der Set-Point-Theorie. Aber mit dem richtigen Ansatz kannst du an diesem Set-Point-Gewicht vielleicht etwas drehen.

Du hast alles richtig gemacht. Du hast Mahlzeiten geplant, dich bewegt und auf ausreichend Schlaf geachtet. Du hast dich großartig gefühlt und hast abgenommen. Aber irgendwann hast du wieder an Gewicht zugenommen, und nun sieht es so aus, als könntest du es nicht mehr loswerden. Wie kommt das?

Wenn du das Gefühl hast, dass dein Körper gegen dich arbeitet, könnte das etwas mit deinem Set-Point-Gewicht zu tun haben. Zu verstehen, was es damit auf sich hat, kann dir helfen, es zu verändern und eine langfristige Gewichtsabnahme zu erreichen.

Was genau ist dein Set-Point-Gewicht?

Die Set-Point-Theorie besagt, dass jeder Mensch eine gewisse Veranlagung für ein möglicherweise biologisch festgelegtes Körpergewicht hat. Dieses sogenannte Set-Point-Gewicht fällt bei jedem anders aus. Das ist einer der Gründe dafür, dass manche Menschen, die unter Adipositas leiden, das Abnehmen so schwierig finden: Während andere ein Set-Point-Gewicht von sagen wir mal 80 Kilogramm haben, beträgt ihr Set-Point-Gewichtt zum Beispiel 113 Kilogramm. Und wenn sie versuchen, unter diesen Wert zu kommen, fühlt es sich an, als würden sie gegen ihre eigene Natur ankämpfen.

„Wir gehen davon aus, dass jeder Mensch einen sogenannten Set-Point beziehungsweise einen bestimmten Körperfettanteil hat, der im normalen Bereich liegen sollte. Bei Abweichungen von diesem biologisch festgelegtem Gewicht steuert der Organismus dagegen an und versucht, den eigenen Set-Point wieder zu erreichen“, erklärt Robert F. Kushner, Professor für Endokrinologie und medizinische Bildung an der Northwestern University Feinberg School of Medicine in Chicago.

Das Set-Point-Konzept ist zwar nach wie vor eine Theorie, doch die meisten Experten sind sich darin einig, dass sie durchaus ihre Richtigkeit hat. Nur die genauen Ursachen werden noch diskutiert“, sagt Steven B. Heymsfield, Professor am Pennington Biomedical Research Center in Baton Rouge. Ihm zufolge muss zwar die Existenz eines inneren Regelmechanismus, der das Körpergewicht steuert, noch nachgewiesen werden, aber es gibt bereits Beweise dafür, dass die Menschen ihr Gewicht über lange Zeiträume hinweg tendenziell recht konstant halten.

Was kann sich auf deinen Set-Point auswirken?

Dein persönliches Set-Point-Gewicht mag zwar von deinem Körper reguliert werden, aber es ist nicht notwendigerweise für alle Zeiten in Stein gemeißelt.

Hier 7 Faktoren, die dein Set-Point beeinflussen können:

1. Dein Gehirn

„Dein Set-Point wird zu einem Großteil von den für den Appetit zuständigen Hirnzentren gesteuert“, so Kushner. Im Wesentlichen ist es so, dass dein Gehirn den Körperfettanteil erfasst und verschiedene Faktoren wie zum Beispiel dein Hungergefühl anpasst, wenn du an Gewicht verlierst oder zunimmst. Verringert sich der Anteil an Körperfett, steigert sich dein Appetit. Vermehrt er sich, geht das Hungergefühl theoretisch zurück.

2. Genetische Veranlagung

„Wir wissen, dass unsere genetische Veranlagung eine große Rolle für das Körpergewicht eines Menschen spielt, ebenso wie Haar- und Augenfarbe genetisch vorprogrammiert sind“, erklärt Kushner. Tatsächlich wird etwa die Hälfte deines Körpergewichts von Genen gesteuert, die sich beispielsweise auf den Appetit oder die Insulinproduktion auswirken, also darauf, wie gut dein Körper Glukose in Energie umwandelt. Die andere Hälfte wird von äußeren Faktoren bestimmt. Hierzu zählen unter anderem die Kalorien, die du zu dir nimmst, und wie viele davon du durch Bewegung verbrennst.

Genetische Aspekte spielen auch bei der Entwicklung von Adipositas definitiv eine Rolle. Es gibt in diesem Zusammenhang eine klassische Studie, aus der hervorgeht, dass Zwillinge, die getrennt voneinander in unterschiedlichen Umfeldern aufgewachsen sind, trotzdem einen ähnlichen Body-Mass-Index haben.

3. Wie schnell (oder langsam) du zugenommen hast

„Eine kurzfristige Gewichtszunahme (wie zum Beispiel bei einer Schwangerschaft) wirkt sich wahrscheinlich weniger nachteilig auf dein biologisch festgelegtes Gewicht aus als ein langsames, aber stetiges Zunehmen, das auf jahrelange Schreibtischarbeit, exzessiven Stress und ungesunde Ernährungsgewohnheiten zurückzuführen ist“, sagt Kushner.

4. Hormone

Hormone können uns manchmal ganz schön dazwischenfunken. Wenn du Sport treibst, deine Ernährung umstellst und auf eine Gewichtsabnahme ausrichtest, reagiert dein Körper darauf, indem er das Hormon Ghrelin ausschüttet, das für ein Hungergefühl sorgt. Gleichzeitig geht die Produktion des Hormons Leptin zurück, das signalisiert, dass du satt bist. Das Zusammenspiel zwischen diesen beiden Hormonen und deinem Körper kann sich auf deinen Set-Point auswirken.

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5. Medizinische Behandlung zur Gewichtsabnahme

„Sowohl Medikamente, die einen Gewichtsverlust fördern sollen, als auch chirurgische Eingriffe wirken sich offenbar auf das biologisch festgelegte Gewicht aus“, so Kushner. „Will man den Set-Point anpassen, setzt man am besten auf biologischer Ebene an, und genau das tun diese Behandlungen“, erklärt er. Das ist einer der Gründe dafür, dass Medikamente zur Förderung einer Gewichtsabnahme – in Kombination mit Veränderungen der Lebensgewohnheiten – eine effiziente Behandlungsmethode für Adipositas darstellen.

6. Medikamente

„Bestimmte Medikamente, die aus gesundheitlichen Gründen eingenommen werden, können als Nebenwirkung zu einer Gewichtszunahme führen und sich auf das Set-Point-Gewicht auswirken“, erklärt Kushner. Solltest du nach der Behandlung mit einem neuen Medikament eine Gewichtsveränderung feststellen, die dir Sorgen bereitet, dann sprich mit deinem Arzt darüber.

7. Essstörungen

Wenn du dich in der Vergangenheit zeitweise nur eingeschränkt ernährt hast und deswegen unter deinem bioligisch festgelegtem Körpergewicht liegst, schaltet dein Körper in eine Art Überlebensmodus. Der Stoffwechsel wird verlangsamt, und gleichzeitig kann es sein, dass Hungersignale zunehmen und du häufiger an Essen denkst. Das sind evolutionsbedingte Mechanismen, die uns vor dem Verhungern schützen sollen.

"Dein Set-Point wird zu einem Großteil von den für den Appetit zuständigen Hirnzentren gesteuert. Im Wesentlichen ist es so, dass dein Gehirn den Körperfettanteil erfasst und verschiedene Faktoren wie zum Beispiel dein Hungergefühl anpasst, wenn du an Gewicht verlierst oder zunimmst. Verringert sich der Anteil an Körperfett, steigert sich dein Appetit. Vermehrt er sich, geht das Hungergefühl theoretisch zurück. "— Robert F. Kushner

Kann man sein Set-Point-Gewicht reduzieren?

Während eine langsame Gewichtszunahme über mehrere Jahre hinweg dein Set-Point-Gewicht in die Höhe treiben kann, kostet es möglicherweise ein bisschen Mühe, den Körper auf ein niedrigeres Gewicht zu bringen. Warum? Nehmen wir einmal an, du nimmst weniger Kalorien zu dir und betätigst dich körperlich mehr, weil du abnehmen möchtest. Infolgedessen verringerst du deinen Körperfettanteil. Und das führt dazu, dass sich der Organismus anpasst und zum Beispiel mit gesteigertem Appetit reagiert.

„Das liegt daran, dass dein Körper versucht, wieder auf das Gewicht zu kommen, das er hatte, bevor du angefangen hast, dich anders und gesünder zu ernähren“, erläutert Kushner. Hinzu kommt, dass der Stoffwechsel bei einem Gewichtsverlust herunterfährt und dein Körper naturgemäß weniger Kalorien braucht, um zu funktionieren, sodass du deine Essgewohnheiten entsprechend anpassen musst, um die Gewichtsabnahme aufrechtzuerhalten.

Wie kannst du also dein Set-Point-Gewicht erfolgreich herabsetzen? Der Schlüssel zum Erfolg liegt in einer langsamen, konstanten Gewichtsabnahme mithilfe von Verhaltensänderungen. Je kontinuierlicher du zu Beginn deines Abnehmvorhabens bei der Sache bist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass du das neue Gewicht auch langfristig halten kannst, so das Ergebnis einer Studie. Ihr zufolge ist die Beständigkeit beim Abnehmen sogar wichtiger als die Anzahl der Pfunde, die in den ersten sechs oder zwölf Wochen mit einem gesünderen Lebensstil purzeln. Zudem fanden Forscher am Ohio State Wexner Medical Center heraus, dass Trenddiäten – die mit schnellen, aber kurzzeitigen Erfolgen das genaue Gegenteil einer beständigen Gewichtsabnahme bedeuten – nur selten einen dauerhaften Abnahmeerfolg bewirken, denn sie führen nicht nur zu einer Verlangsamung des Stoffwechsels, sondern auch zu einer vermehrten Ausschüttung des Hungerhormons Ghrelin und einer verringerten Produktion des Sättigungshormons Leptin.

Der Weg zu einer nachhaltigen Gewichtsabnahme

Um dein Set-Point-Gewicht zu verringern, halte dich an die folgenden 5 wissenschaftlich fundierten Strategien:

1. Setze dir das richtige Ziel

Ein kleineres, erreichbares Ziel kann dir dabei helfen, motiviert am Ball zu bleiben und deine gesunden Gewohnheiten weiter zu pflegen, sodass du sie auch langfristig beibehältst. Wo anfangen? Setze dir zum Ziel, 5 % deines Körpergewichts zu verlieren.

2. Tracke deine Lebensmittel

Vielleicht hast du den Bogen ja schon längst raus – vor allem, wenn du das WeightWatchers Abnehmprogramm befolgst, das dir einen Food-Tracker in der WW App bietet –, aber trotzdem solltest du auch dann noch tracken, was du isst, wenn du dein Wunschgewicht schon erreicht hast. WW Mitglieder können mit einer Gewichtsabnahme von 0,5 bis 1 kg pro Woche rechnen. Untersuchungen haben gezeigt, dass diese Art von Selbstkontrolle entscheidend dazu beiträgt, das neue Gewicht auch zu halten.

3. Ordne deinen Hunger richtig ein

„Hunger zu empfinden ist eine normale physiologische Reaktion, und du solltest damit rechnen, dich hungrig zu fühlen, während du abnimmst und auch noch danach, weil der Organismus ein wenig braucht, um sich an die neue Normalität zu gewöhnen“, erklärt Heymsfield. Es kann dir eine Hilfe sein, wenn du dir bewusst machst, dass Hunger ein ganz normales Gefühl ist, dem du nicht unbedingt sofort nachgeben musst. Ebenso ist es hilfreich, den Unterschied zwischen physischem und emotionalem Hunger zu verstehen.

Erfahre hier, wie du deinen Hunger einordnen und achtsam essen kannst.

4. Bewege dich

Eine gesunde Ernährung mag zu einer Gewichtsabnahme führen, aber körperliche Aktivität sorgt dafür, dass diese auch von Dauer ist. Nach einer erfolgreichen Gewichtsabnahme arbeiten die Muskeln effizienter und verbrauchen also weniger Kalorien bei gleicher Aktivität. „Doch Sport, insbesondere Gewichtstraining, baut Muskeln auf und wirkt einigen dieser körperlichen Reaktionen entgegen“, so Kushner. Eigenen Angaben zufolge verbrennen Menschen durchschnittlich 383 Kalorien pro Tag durch Sport und halten ihre Gewichtsabnahme dadurch aufrecht, so das Ergebnis einer Untersuchung. In anderen Studien wird empfohlen, wöchentlich 1.500 bis 2.000 Kalorien durch Bewegung zu verbrauchen, um das Gewicht zu halten. Wichtig ist, dass es nicht unbedingt ein Workout im Fitnessstudio sein muss. Ein Spaziergang in der Umgebung mit einem Freund, Körpergewichtsübungen beim Fernsehen, Fangspiele oder Wettläufe mit deinen Kindern – jede Bewegung zählt!

5. Plane gut

Eine gute Strategie, um dauerhaft abzunehmen und sich selbst auf die richtige Spur dafür zu bringen, besteht darin, gesunde Lebensmittel vorrätig zu haben, denn so werden gesunde Gewohnheiten zu einer Art Automatismus. Schließlich ist es ja viel einfacher, beim Snack zwischendurch lieber zu Obst oder Joghurt zu greifen, anstatt ein Eis zu schlemmen, wenn du regelmäßig deinen Vorrat an Ersterem aufstockst und das Eis im Supermarkt lässt.

Fazit

Der Set-Point-Theorie zufolge wird dein Körperfettanteil von deinem Organismus reguliert. Wenn du ab- oder zunimmst, löst das bestimmte Reaktionen in deinem Körper aus, mit denen er versucht, dich wieder auf das ursprüngliche Gewicht hoch- bzw. herunterzubringen. Das eigene biologisch festgelegte Körpergewicht neu einzustellen braucht Zeit und Mühe, aber wenn du langsam und kontinuierlich abnimmst, ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass du dein neues Gewicht auch dauerhaft halten kannst.